latenzia ist eine multisensorische VirtualReality(VR)-Installation, welches die entscheidende Rolle der Propriorezeption (Eigenbewegung) bei der Erzeugung eines synästhetischen Weltzugangs explizit machen soll. Der Titel verweist auf das Verborgene und noch-nicht-Sichtbare: In der Mensch-Maschine-Interaktion ereignen sich Prozesse auf emotionaler wie technischer Ebene, die erst mit Latenzzeit zur Erscheinung gelangen.
latenzia erkundet der Interaktor durch seine Eigenbewegung anstelle von virtuellen Bewegungen mittels Gestensteuerung: Durch die Neigung seines Oberkörpers, welche mit der Kinect-Infrarotkamera erfasst wird, schwebt der Interaktor vorwärts und rückwärts sowie nach links und rechts. Durch die Eigenbewegung (Propriozeption) soll die kinästhetische Wahrnehmung des Interaktor verstärkt werden. Ähnlich seinem Vorgängerprojekt COSMOTIC wird das Biofeedback-Konzept genutzt: Durch ein Einatmen schwebt der Interaktor nach oben, durch sein Ausatmen nach unten, je so weit, wie intensiv er seine Atemtätigkeit vollzieht. Gemessen wird dies durch ein Anemometer (Windmesser) an der VR-Brille.
latenzia soll explizit machen, was in jeder erfolgreichen VR-Simulation eine entscheidende Dimension spielt, jedoch zugunsten der visuellen Domaine oft genug vernachlässigt wird: Die Rolle, die von der Propriozeption bei der Erzeugung eines sonst exklusiv visuellen Ereignisse, d.h. virtuellen Simulationen, gespielt wird. Da hier keinerlei Avatar die Funktion des Selbstbildes übernimmt, sondern Datenkörper das vitale Selbst repräsentieren, muss das Körperschema vom Interaktor erst transzendiert werden.
Aus unserer bisherigen Forschung wissen wir, dass VR-Medientechnologie das Potenzial besitzt, ein Erlebnis des “ungeteilten Fleisches” zu erleichtern, welches der Wahrnehmungs-Phänomenologe Maurice Merleau-Ponty im Herzen des Seins entdeckte. Jenes Erlebnis existiert vor einer Spaltung in „Bewußtsein“ und „Objekt“. Der Mensch soll hier durch seine aktive Eigenbewegung sein ungeteiltes Sein wiederentdecken.