Ein tanz- und medienpädagogisches Pilotprojekt in und mit Virtual Reality
in Kooperation zwischen der TMA Hellerau e.V., Landesbühne Sachsen und der 116. Oberschule Dresden
März – November 2022 I Neuinszenzierung mit Jugendlichen zum WILDWECHSEL FESTIVAL 2023
Weit mehr als bloßer “Sehapparat”, weist VR-Technologie weitreichende Verkörperungsdimensionen auf, die im Pilotprojekt “Der schwarze Spiegel” mit Schüler*innen erforscht und erprobt werden sollen. Das tanz- und medienpädagogische Vermittlungsangebot befragt zugleich Selbst- und Fremdwahrnehmung von Körper und Emotionen in digitalen Räumen. Denn einerseits erweitern digitale Medientechnologien unsere Wahrnehmung und andererseits disziplinieren und formatieren sie den menschlichen Körper als Sinnesapparat.
Das neue raeume; Kollektiv entwickelt in enger Zusammenarbeit mit dem TMA Hellerau e.V. von März bis August 2022 eine interaktive VR-Anwendung, die eine 360° Bühne mit geometrischen und beweglichen Bühnenelementen umfasst. Die Bühnenelemente können später von den Schüler*innen mit Videotechnik bespielt und im VR-Raum arrangiert werden. Zudem werden bis zu sieben Körper durch Kinect-Kameratechnik erfasst und als Point-Cloud Avatare in der virtuellen Umgebung abgebildet und gespeichert, so dass die körperlichen Bewegungen für künftige VR-Besucher (z.B. die Schüler*innen) erlebbar sind.
Mitwirkende:
VR-Entwicklung::: neue raeume; Kollektiv (www.neueraeume.xyz)
Medienpädagogik::: Katharina Groß
Tanzpädagogik::: Helena M. Fernandino
Theaterpädagogik::: Freya Gemeiner
Choreografie::: Natalie Wagner
Key Visual Entwicklung: Anne Lippert, Stephan Thiel und Andres Hilarion
Gefördert durch tanz:digital
Jüngere Menschen haben durch intensive Nutzung digitaler Kommunikationsformen zunehmend Probleme, die Emotionen anderer wahrzunehmen, wie die Psychologin Julia Brailovskaia (Ruhr Universität Bochum) in einem Interview mit ze.tt (10.01.2022) erklärt: Die Mimik und die Gesten funktioniere nicht so schnell wie bei einem Emoji. Mit dem Titel “Der schwarze Spiegel” wollen wir diese Problematik aufgreifen.
Die VR-Umgebung als Spiegelbild menschlicher Körperbewegung ist nicht nur verzehrt oder “gebrochen”, wenn mehrerer Körper eng beieinander stehen und von der Kinect-Kameratechnik nicht eindeutig erkannt werden. Vielmehr emergieren durch die technische Übersetzung (Software-Programmierung und Hardware-Logiken) Lichtgestalten, die zwar auf menschliche Körperbewegungen reagieren doch zugleich auch ihre Eigendynamiken und Widerständigkeiten entfalten können.
Auf Basis der software-technischen Infrastruktur durch die TMA wird das Ensemble der Landesbühnen Sachsen Ende August eine Choreographie für am Pilotprojekt teilnehmende Schüler*innen aufzeichnen. Spannende und herausfordernde Konstellationen für die Choreographie ergeben sich zwischen tanzenden Körpern und technischer Übersetzung, wenn Körper ineinander verschlungen oder verdeckt sind.
Mit der digitalisierten Choreographie werden vom 29.08. bis 2.09.2022 ca. 24 Schüler*innen der 5. Klasse in ihre Projektwoche an der 116.Oberschule Dresden starten. Die TMA wird hierfür drei technische Settings zur Verfügung stellen, damit die freiwilligen Schüler*innen ihre eigene Tanz-Performance unter dem Motto “Der schwarze Spiegel” entwickeln können.
Die Schüler*innen erproben spielerisch ihre Bewegungen mit ihren Avataren und ahmen die Tanzbewegungen des Ensembles nach, studieren diese ein. Mit dieser körperlichen Einstimmung sollen die Schüler*innen ihre eigene Lebenswirklichkeit (Computerspiele, Social Media, etc.) reflektieren. Dabei sollen u. a. folgende medien- und tanzpädagogische Fragestellungen spielerisch erprobt und beantwortet werden:
- Wie bewegen und handeln wir in digitalen (VR-)Räumen?
- Wie ist VR und was macht es mit unserem Körper?
- Wie nehmen wir uns selbst wahr?
- Wie können wir Emotionen mit dem Avatar ausdrücken?
- Welche (Spiel-)Regeln existieren und wie können sie zum eigenen Vorteil genutzt werden? Was ist sichtbar und was wird unsichtbar?
- Was könnte der “Der schwarze Spiegel” für die Schüler bedeuten und wie funktioniert dieser?
Durch die handlungsorientierte Wissensvermittlung von Strategien der Kontakt-Improvisation und dem Austesten der Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Abbildes durch Körperbewegung übertragen die Schüler*innen ihr Wissen situationsbezogen in und mit der VR-Anwendung. Die Schüler*innen variieren in Gruppenarbeit die Choreographie des Tanzensembles und finden eigene Bewegungsqualitäten. Sie entwickeln Figuren über Emotionen und gestalten kooperativ eine gemeinsame Performance durch das Verbinden der Figurenpositionen in VR.
Zum Abschluss der Projektwoche zeigen die Schüler*innen ihre Performance zunächst schulintern und am 06. November 2022 als hybride Präsentation mit dem Ensemble auf der Studiobühne der Landesbühnen Sachsen. Durch eine ausführliche Evaluation des Pilotprojekt soll es möglich werden, dieses Vermittlungsangebot auch für weitere Kinder und Jugendliche verfügbar zu machen.
Doku-Video des Dachverbands Tanz Deutschland: https://www.tanz-digital.de/en/explore/media-archives/474aeecb-1d4a-450a-8d9d-341c322cd701
Neuinszenzierung mit Jugendlichen zum WILDWECHSEL FESTIVAL 2023
Thema des AGORA WILDWECHSEL FESTIVALS 2023 war „Bewegte Zeiten“. Unter dem Motto „Perspektivwechsel fördern Mobilität“, fand ein Workshop in und mit unserer VR-Installation „Der Schwarze Spiegel“ im Juni 2023 mit Zwickauer Jugendlichen statt, um Körperbewegung und Sinneswahrnehmung in Virtual Reality auszutesten.
Innerhalb von 3 Tagen haben Emma, Jasmin, Xaver, Vincent, James und Sophie gemeinsam mit der Medienpädagogin Katharina Groß und der Tanzpädagogin Helena M. Fernandino ihre Video- und Audiosequenzen sowie Choreographie erarbeitet, aufgezeichnet und als Tanzstück mit der Unity Entwickler-Umgebung in der VR_Bühne „Der Schwarze Spiegel 2.0“ implementiert.
Zur Präsentation im Puppentheater Zwickau im September 2023 war das Publikum über Projektionsflächen zuschauend oder wurde selbst zu Performenden in der VR-Umgebung. Der*die Performende*r sieht sich selbst als blauen Point-Cloud-Avatar sowie die aufgezeichneten Video- und Audioaufnahmen und Bewegungssequenzen der Workshop-Teilnehmenden als gelbe Avatare.
Videodokumentation der Präsentation.
Fotodokumentation des Workshops
Fotodokumentation der Präsentation im Puppentheater Zwickau